|
|
K A R N E V A L S K N I G G E Karneval in Holzheim zieht in jedem Jahr Hunderte Besucher an. Manche kommen extra von weit her, um sich das Spektakel einmal anzusehen, manche folgen der Einladung von Freunden, manche sind gerade zufällig im Dorf und plötzlich mittendrin. Eins ist allen gemeinsam: Sie haben keine Ahnung, worauf sie sich einlassen und was es eigentlich heißt, in Holzheim Karneval zu feiern. Doch was hilft in der Praxis weiter? Was macht man eigentlich, wenn man Karneval feiert? Wo feiert man? Wie feiert man? Und mit wem?
Zwischen Weiberfastnacht (Donnerstag) und Aschermittwoch gibt es eigentlich nur zwei karnevalistische Stätten: die Kneipe/das Festzelt und die Straße bzw. eine Mischung von allem. Und es gibt nur eine Erscheinungsweise: im Kostüm und in einer Gruppe.
Planung ist hier die halbe Miete, und als Anfänger darf man sich nicht darauf verlassen, dass sich irgendetwas ergeben wird. (Darauf vertraut noch nicht mal der echte Jeck.) Gewisse Punkte müssen im Vorfeld beachtet und geklärt werden, und gewisse Regeln müssen internalisiert sein.
Was also müssen Sie wissen, bevor Sie sich nach Holzheim begeben, um Karneval zu feiern? Wie lauten die Hauptregeln des karnevalistischen Knigge?
1) Als Anfänger sollten Sie NIE versuchen, allein oder zu zweit zu feiern, denn das macht keinen Spaß. Verabreden Sie sich mit einer Gruppe, in der sich mindestens ein Holzheimer befindet. Es muss kein gebürtiger Holzheimer sein, ein karnevalserprobter Zugezogener tut es auch. Sollte das nicht möglich sein, tun Sie sich mit Leuten zusammen, von denen Sie wissen, dass man gut mit ihnen feiern kann.
2) Kommen Sie nicht nur für einen Tag. Gerade als Anfänger braucht man eine gewisse Zeit, um den Kulturschock zu überwinden. Kommen Sie Weiberfastnacht an, und zwar nachmittags.
3) Verkleiden Sie sich, denn um nicht außen vor zu bleiben, muss man sich auch äußerlich der Umgebung anpassen.
4) Lassen Sie allen unnötigen Ballast zu Hause. Geld und Schlüssel in der Hosentasche, viel mehr braucht man nicht. Nehmen Sie bloß keine Taschen oder Rucksäcke mit, denn die kommen leicht abhanden. Handys sind sinnlos, denn zum Telefonieren ist es zu laut. Sie werden Orte betreten, in denen sich so viele Menschen befinden, dass Sie das Wort Gedränge völlig neu definieren müssen.
5) Auch wenn Sie von diversen Veranstaltungen gehört haben, die man sich ansehen sollte, hecheln Sie nicht von Termin zu Termin. Sie müssen die Eröffnung des Karnevals am Rathaus nicht miterleben - das tun die meisten Holzheimer auch nicht.
6) Suchen Sie sich lieber eine Kneipe/ein Festzelt. Die Wahl ist von entscheidender Wichtigkeit. Auch wenn Sie mit dem Auto ankommen und das Gefühl haben, hier ist was los: Begeben Sie sich in die Heistardstraße. (Das gilt nicht nur für Rosenmontag. Aber an Rosenmontag sollen Sie ja auch nicht ankommen.)
7) Essen Sie etwas Deftiges: Sie brauchen eine Grundlage.
8) Stecken Sie Ihren Kopf durch die Tür der Kneipe/des Festzeltes, in der schon Stimmung zu herrschen scheint. Wenn Sie das Gefühl haben, dort wird gefeiert, gehen Sie hinein. Gehen Sie zunächst an die Theke, und kaufen Sie eine Runde Bit, d. h. versorgen Sie alle mit Bier, die mit Ihnen gekommen sind.
9) Jetzt kommt das Wichtigste: Machen Sie sofort mit. Karneval ist keine intellektuelle Leistung, sondern kommt aus dem Bauch, darauf muss man sich einlassen. Bleiben Sie locker, und hören Sie auf, sich selbst zu beobachten. Trinken und schunkeln Sie, Singen und Tanzen Sie mit! Machen Sie das, was alle tun. Wenn sich einer bei Ihnen einhakt, schütteln Sie ihn nicht ab, sondern lächeln Sie ihn an. Wenn Ihnen einer Bit über den Arm schüttet, lachen Sie und sagen Sie, das macht nix. Singen Sie mit, auch wenn Sie die Lieder (noch) nicht können. Nerven Sie die Mitfeiernden nicht durch permanente Fragen nach dem Text. Wundern Sie sich nicht, dass manche Leute alle Lieder mit allen Strophen auswendig können. Fragen Sie nicht, warum sie das können. Wer jedes Jahr an allen Tagen feiert, kann das. Versuchen Sie lieber, davon zu profitieren, und lesen Sie ihnen von den Lippen ab.
10) Auch wenn es eng wird: Lassen Sie keine klaustrophobischen Anfälle zu. Es ist in einem Festzelt/Kneipe noch niemand erdrückt worden. Wenn es Ihnen zu eng wird, gehen Sie nicht hinaus, um Luft zu schnappen. Sie kommen dann nämlich nicht mehr rein.
11) Fragen Sie sich nicht, ob so viel Bier gesund ist und ob Sie am nächsten Tag noch sprechen können. Das ist irrelevant.
12) Erst wenn Sie gar nicht mehr können, gehen Sie hinaus, um Luft zu schnappen. Vielleicht ist die Gruppe auf der Straße ja noch netter als die, mit der Sie gekommen sind. Gehen Sie dann wieder hinein. Es dürfte mittlerweile so spät sein, dass es kein Problem mehr ist.
13) Verabreden Sie sich, bevor Sie endgültig nach Hause gehen, d. h. in der gleichen Nacht, mit Ihrer Gruppe für den nächsten Tag. Oder wann Sie miteinander telefonieren. Wenn es Ihnen in der Kneipe/dem Festzelt gefallen hat, gehen Sie am nächsten Tag wieder dorthin. Es geht nicht darum, möglichst viel zu sehen, sondern möglichst viel zu feiern.
Wenn Sie diese Regeln beherzigen werden Sie sich im Karneval weder verloren fühlen noch verloren gehen und nie wieder unangenehm auffallen. Sie werden langsam vom Anfänger zum Jeck mutieren. Sie werden nie mehr während des Rosenmontagszuges fragen, wann denn die Prinzessin kommt, Sie werden nie mehr singen, dass der Sultan durch will (nein, er duscht auch nicht, sondern er hat "Doosch" = Durst), Sie werden nie mehr ein Bit nur für sich kaufen, Sie werden nie mehr im Kostüm zur Galasitzung gehen, und Sie werden voller Trauer sein, weil am Aschermittwoch alles vorbei ist.
Karneval ist ein Eifeler Fest, das auf kölsch gefeiert wird, und die hochdeutschen Begriffe füllen sich mit völlig neuen Inhalten. Das macht es so schwierig für Zugereiste, denn was man nicht versteht, kann man auch nicht feiern.
In diesem Sinne:
Dreimol Holzem Alaaf
|
|